Rechnungshöfe aus ganz Europa kommen am 29. April 2016 zu einem Seminar der EURORAI (European Organization of Regional Audit Institutions) nach St. Pölten, in dem die „Leitlinien für unabhängige regionale Einrichtungen der externen öffentlichen Finanzkontrolle" vorgestellt werden. Die EURORAI wurde am 1. Oktober 1992 als Verband von regionalen Rechnungskontrollbehörden (so heißen die verschiedenen Einrichtungen der externen öffenlichen Finanzkontrolle in internationalen Dokumenten) in Manchester gegründet. Heute zählt die EURORAI rund 100 Mitglieder aus Deutschland, Frankreich, Irland, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Russland, Schweiz, Slowenien, Spanien, Ukraine, Ungarn, UNMIK/Kosovo, Vereinigtes Königreich, Zypern und sogar aus Brasilien.
Der Präsident des NÖ Landtags, Hans Penz, und der Präsident der EURORAI, Klaus P. Behnke, werden rund 100 hochrangige Teilnehmende aus 14 verschiedenen Staaten und 50 Regionen bzw. Kommunen im Landtagssaal begrüßen können, darunter die Spitzen der österreichischen Landesrechnungshöfe, die am Vortag ihre
Frühjahrstagung ebenfalls im NÖ Landhaus abhalten.
Mehr Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit in der Finanzkontrolle
Die Leitlinien wurden vom NÖ Landesrechnungshof initiiert, der auch gemeinsam mit der EURORAI sowie freundlicher Unterstützung des Landes NÖ und der Landeshauptstadt St. Pölten die fünfsprachige Tagung organisiert. Ausgearbeitet wurden die Grundsätze von einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Präsidenten des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz, Klaus P. Behnke, der zugleich Präsident der EURORAI ist. Der Arbeitsgruppe gehörten weiters regionale Rechnungskontrolleinrichtungen aus Frankreich, Polen und Russland sowie für Österreich der NÖ Landesrechnungshof an.
Ziel der NÖ Initiative und der neuen Leitlinien ist es, die Bedeutung einer effektiven regionalen Finanzkontrolle hervorzuheben und dafür gemeinsame Grundsätze zu schaffen. Ein eigenes Grundsatzdokument wäre schon deshalb erforderlich, weil internationale Dokumente die regionalen Rechnungskontrolleinrichtungen nicht ausdrücklich nennen, obwohl es sich dabei um unabhängige Einrichtungen handelt, die keiner anderen „obersten" Kontrollbehörde unterstellt sind. So ist der NÖ Landesrechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan des NÖ Landtags keinem anderen Rechnungshof unterstellt. Dem NÖ Landesrechnungshof ging es bei seinem Vorstoß jedoch primär darum, das Subsidiaritätsprinzip, das im NÖ Landtag regelmäßig eingefordert (Subsidiaritätsrüge) wird, in der öffentlichen Finanzkontrolle zu verankern.
Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit fangen an Ort und Stelle an
Wegen der Verbundenheit der öffentlichen Haushalte kann sich ein lokales Ereignis bei Kontrollversagen rasch zu einer globalen Finanz- oder Schuldenkrise auswachsen. Die Finanzkontrolle stellt daher eine gemeinsame Aufgabe aller Rechnungskontrollbehörden (Rechnungshöfe) dar, die direkt an Ort und Stelle wirksam erfüllt werden muss, um die teuren Folgen einer regionalen oder lokalen Kontrolllücke in Zukunft zu verhindern. Im Sinn der Subsidiaritätskonferenz 2006 „Effektive Finanzkontrolle fängt zu Hause an."
Die geografische Nähe zur überprüften Einrichtung ermöglicht den regionalen Rechnungskontrollbehörden einen schnellen Zugriff auf Unterlagen und aktuelle Prüfungsergebnisse, die rasch umgesetzt werden können. Nachfolgende Kontrollbehörden sollten sich darauf stützen, sodass sich unzweckmäßige Mehrfachprüfungen erübrigen. Voraussetzung dafür ist, dass die Rechnungskontrollbehörden auf allen Ebenen gemeinsame Grundsätze und anerkannte Qualitätsstandards anwenden. Dazu tragen die Leitlinien der EURORAI bei, weil darin die vielfach schon geübte beste Praxis regionaler Finanzkontrolle erstmals in einem internationalen Dokument verabschiedet wird. Außerdem vermitteln die Leitlinien den Wert und den Nutzen von eigenen Rechnungskontrollbehörden für die Budget- und Kontrollhoheit der regionalen Parlamente.
Keine Budgethoheit ohne Kontrollhoheit
Die fiskalische Zentralisierung in Europa nimmt zu (Fiskalpakt, Europäisches Semester). Das untergräbt auf Dauer die Budget- und Kontrollhoheit der Parlamente und das Kontrollsystem, das ein starkes Fundament mit effektiven regionalen Rechnungskontrollbehörden und eine nach oben hin schmäler (nicht breiter) werdende Spitze haben sollte. Es ist an der Zeit, dass die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit die Bauweise der öffentlichen Finanzkontrolle und die Zusammenarbeit der verschiedenen Rechnungskontrollbehörden bestimmen. Dabei möge jede Einrichtung nach ihren jeweiligen Stärken tätig sein und so ihr Parlament bzw. ihre Regierung mit „Rat und Tat" bestmöglich unterstützen.
Leitlinien und Praxis der regionalen Finanzkontrolle treffen aufeinander
Das Seminar wird im Internet auf der Website des NÖ Landtags www.noe-landtag.at verfolgt werden können. Die Teilnehmenden erwartet eine intensive Konferenz, die dem Ziel der EURORAI, sich für den Austausch von Wissen, Erfahrungen und bewährten Verfahren sowie für Verbesserungen in europäischen Regionen und Kommunen einzusetzen, mehr als gerecht wird.
Auf die Präsentation der Leitlinien, durch den Vorsitzenden und drei weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe, folgen acht Referate mit Praxisbeispielen aus Deutschland,
Frankreich. Österreich, Polen, Schottland, Russland und Wales. In deren Mittelpunkt werden Art und Umfang der Kontrollaufgaben, der Zugang zu Unterlagen, elektronischen Daten und anderen Informationen sowie die Standards und Qualitätskontrollen stehen. Der NÖ Landesrechnungshof wird dazu über sein Qualitätsmanagement und das Europäische Qualitätszertifikat, das er im März 2016 erhielt, sprechen. Am Abend empfängt der Bürgermeister der Landeshauptstadt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ein Stadtrundgang in St. Pölten und ein Ausflug in die Wachau mit einer Besichtigung von Stift Melk und einer Schifffahrt nach Krems sorgen dafür, dass auch noch das Weltkulturerbe in Niederösterreich vermittelt wird.